Ruderalflächen sind wichtig für die Biodiversität, aber in der Natur sehr selten geworden. Dabei profitieren nicht nur Pflanzen und Tiere von der Vielfalt, sondern auch der Mensch.
Ruderalstandorte sind offene Böden mit lehmigem oder steinigem bis sandigem Untergrund. In der Natur entstehen sie durch Störungen wie Erosion oder Ablagerung von Geschiebe nach Überschwemmungen. Da es keinen Humus gibt, sind Ruderalflächen trockene und sehr nährstoffarme Standorte. Regen, der auf die Ruderalfläche fällt, versickert schnell und wäscht vorhandene Nährstoffe aus. Einige spezialisierte Pflanzen sind auf genau solche Standorte angepasst und so gedeihen hier farbenprächtige Kräuter und Hochstauden. Durch die natürliche Sukzession würden solche Flächen mit der Zeit verbuschen. Um die Ruderalfläche zu erhalten, müssen deshalb entweder die Gehölze regelmässig entfernt oder die oberste Bodenschicht aufgerissen werden. Bei der Ruderalfläche auf unserem Erlebnispfad entfernen wir die jungen Gehölze sowie Neophyten von Hand.
Ruderalflächen sind heute gefährdete Lebensräume. Früher entstanden sie vor allem durch die Überflutungen von unverbauten Flüssen. Neben den spezialisierten Pflanzen sind auch viele Tierarten auf diesen Lebensraum angewiesen. Auf unserer Ruderalfläche wachsen zum Beispiel Wegwarte, Schwarze Königskerze, Dost, Natternkopf, Wilde Möhre, Scharfer Mauerpfeffer, Echtes Johanniskraut, Büschel- und Kartäusernelke sowie Wilde Karde. Die vielfältigen Blüten bieten einer Fülle von Insekten Nektar und Pollen, darunter vielen Wildbienen und Schmetterlingen. Wo viele Insekten sind, da sind auch Insektenfresser nicht weit, zum Beispiel die Mauereidechse, Hornissen oder der Grauschnäpper. Im Herbst und Winter dienen die Stauden zudem als Überwinterungsplatz und die Samen als Nahrungsquelle für den Stieglitz.
Essbarer Wegbegleiter
Eine der Arten, die in Ruderalflächen vorkommen, ist die Wegwarte(Cichorium intybus). Es handelt sich um eine krautige Pflanze, die bis zu 140 cm hoch werden kann und einen weissen Milchsaft in ihren Blättern hat. Die unteren Blätter sind in der Regel fiederteilig mit grossem Endabschnitt. Die Blüten sind drei bis fünf Zentimeter groß und hellblau. Sie öffnen sich jedoch nur bei Sonnenschein. Die Wegwarte gehört zu den Korbblütlern und wird in kultivierter Form als Zichorie, Zuckerhut, Radicchio oder Chicorée gezüchtet. Sie wird als Heilpflanze bei Appetitlosigkeit verwendet, wobei alle Teile der Pflanze essbar sind. Allerdings werden die Blätter umso bitterer, je später im Jahr sie geerntet werden. Die Wurzel wird zur Herstellung von Zichorienkaffee verwendet, diente früher also als Kaffee-Ersatz oder ist Bestandteil von Getreidekaffee.
Wegwarte Wilde Karde
Stacheliger Wassersammler
Eine weitere Art, die in Ruderalflächen gedeiht, ist die Wilde Karde. Sie gehört zu den Disteln und ist an den paarweise zusammengewachsenen Blättern sowie dem eiförmigen, stacheligen Blütenstand zu erkennen. Die zusammengewachsenen Blätter bilden einen Kelch, in dem sich Regenwasser sammelt und wo das eine oder andere Insekt ertrinkt. Es wird vermutet, dass dies dem Schutz vor Ameisen und als zusätzliche Stickstoff- und Wasserquelle dient. Die Blüten der Wilden Karde werden vom Schwalbenschwanz und dem Tagpfauenauge genutzt und dienen als Nistplatz für die Gehörnte Maskenbiene. Die gesamte Pflanze ist zudem vollständig mit Dornen bedeckt.
Wegen ihrer grossen Vielfalt sind Ruderalflächen wichtig für die Biodiversität. Im Siedlungsraum können solche Flächen gut in Gärten oder auf Dächern angelegt werden. Vielleicht möchten Sie selbst eine in Ihrem Garten anlegen, damit auch Sie eine solche Farbenpracht bestaunen können? Bei BirdLife Schweiz finden Sie mehrere Broschüren mit hilfreichen Tipps und Anleitungen für die Umsetzung zu Hause.
>> Broschüre «Blumenreiche Lebensräume»
>> Broschüre «Begrünte Wände und Dächer»